Der Kollwitzplatz, in vielen Touristenführern empfohlen wie der Flohmarkt am Mauerpark, die Szene-Kieze um den Helmholtzplatz, die Kastanienallee, in denen man Promis beim Einkaufen auf dem Markt begegnen kann, das ist der Süden vom Prenzlauer Berg. Er wird auch Künstler-Kiez des Ostens genannt. Der Prenzlberg ist jedoch mehr...
Der Prenzlauer Berg hat olympiafähige Sportstätten, Veranstaltungshallen wie Velodrom und Max-Schmeling-Halle für Konzerte von Weltstars, erholsames Grün und noch preiswerte Wohnungen mit "Einheimischen", Dank der Wohnbestände von Wohnungsbaugesellschaften und Politik gegen soziale Entmischung durch das Land Berlin und den Bezirk Pankow. Zu wenig.
Der Prenzlauer Berg ist voll Sehenswürdigkeiten, ein Ortsteil in der Größe einer mittleren Stadt mit etwa 155.000 Einwohnern, Teil des Groß-Bezirks Pankow in Berlin.
So lästert mit Nostalgie-Ton der SPIEGEL:
"Heute gilt der Prenzlauer Berg als das Spießerviertel Deutschlands. Dabei ist es noch nicht lange her, dass hier Künstler, Punks und Oppositionelle Wohnungen besetzten, laute Partys feierten - und ganz nebenbei die friedliche Revolution vorbereiteten." Was daran stimmt:
Die Bewohner haben - NUR - im südlichen "Szene-Teil" des PrenzlBerg - nach der Wende fast komplett gewechselt. Die Wohnungen waren zur DDR-Zeit vernachlässigt, vom Abriss bedroht. Hausbesetzungen bzw. Wohnungsbesetzungen gab es durchaus in der DDR, jedenfalls im Prenzlauer Berg.
Der Prenzlauer Berg ist ein Ortsteil - so heißt es korrekt - des einwohnerreichsten Bezirks Pankow in Berlin. Die Stadtteile im Süden, im Nordosten und Nordwesten des Prenzlauer Berg unterscheiden sich deutlich.
Studenten, Kulturschaffende, die DDR-spezifische "alternative Szene" konzentrierte sich im südlichen Teil vom PrenzlBerg.
Ich war selber zu DDR-Zeiten, in West-Berlin lebend, Gast in einer dieser mit Büchern und Schallplatten bis zur Decke vollgestopften durchaus großen Wohnung mit viel Charme, bewohnt von einer Person, an der Strasse nach Renovierung schreiende Häuserfronten. Renovierungsmaterial für die Wohnungen war Mangelware und so heiß begehrt von unserem Gastgeber wie West-Schallplatten. Ich tauschte Pflanzen aus West-Berlin gegen Eintrittskarten ins Gorki-Theater, aber niemals "schwarz" Westgeld in DDR-Mark und bat den Schriftsteller Stefan Heym nach einer Lesung von ihm in West-Berlin um Mitnahme von Büchern von Peter Weiss von West nach Ost. Heym wurde an der Grenze nicht (wirklich) kontrolliert, erfuhr ich in Ostberlin, bestätigte er mir.
Kleine Zentren des Widerstands in der DDR und Freigeister gab es gerade im Prenzlauer Berg, im Kiez Kollwitzplatz und in evangelischen Kirchen wie Gethsemane-Kirche, aber auch in der schon zu "Mitte" gehörende Zionskirche.
Der auf Befehl Hitlers und durch Justizmord durch Nazi-Juristen brutal hingerichtete Ev. Pfarrer und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer war 1932 Pfarrer in der Zionskirche. Bonhoeffer wohnte nicht weit entfernt im Prenzlauer Berg in der Oderberger Str. 61. Damals war das eine arme Arbeitergegend.
Um den Kollwitzplatz begannen nach der Wende - mit einer dreistelligen Millionensumme Fördergelder unterstützt - die systematischen Gebäudesanierungen.
Die "Einheimischen" sind der "West-Alternativszene" und dann nachhaltig den Gut-Verdienern vor allem aus dem Westen gewichen. Würde die Politik im Bezirk Pankow und die Landespolitik nicht durch klare Vorgaben dem weiteren Verdrängungsprozess Grenzen ziehen, dieser Teil des PrenzlBerg wäre kulturell TOT und zum "Spießerviertel" mutiert, zu dem der SPIEGEL ihn bereits schreibt. Das ist der Prenzlauer Berg aber zum Glück (noch) NICHT.
Schönhauser Allee / Ecke Gleimstrasse: Die Schilder zeigen, wie nah alles zu erreichen ist:
Die Gethsemanekirche in der Stargarder Strasse: Hier wurde friedlicher Widerstand in der DDR vor der Maueröffnung organisiert. Der Mauerpark mit Spielplatz, Kletterwand, Kinderbauernhof und Volkspark ist für Familien wie Touristen attraktiv. Die berühmte Max-Schmeling-Halle hat Platz für Groß-Veranstaltungen, für Konzerte, Sport und Heimspiele des Berliner Basketball-Bundesliga-Vereins ALBA.
Fast nebenan ist der Friedrich-Jahn-Sportplatz an der Cantianstrasse. Hier fanden internationale Leichtathletik-Wettbewerbe statt, wurden Weltrekorde überboten, spielte die DDR-Fußball-Nationalmannschaft und einmal soll es ein Konzert mit Michael Jackson gegeben haben.
"Berlin kann Olympia" - so ein Slogan 2015 in Berlin und von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller.
Olympia bürgernah und nachhaltig, dieses Ziel der Landesregierung wäre realisierbar (gewesen).
Es gibt 15 Kieze oder Stadtviertel im Prenzlauer Berg mit jeweils eigenem Flair. Der gesamte PrenzlBerg ist räumlich strukturiert durch große Ost-West-Strassen: Danziger und
Eberswalder Strasse, durch die Ringbahn und dominante Nord-Süd-Chausseen Greifswalder Strasse im Osten, die
Prenzlauer Allee (sie führt zum Kollwitz-Kiez in Richtung City-Ost mit dem Alexanderplatz) und die Einkaufsmeile Schönhauser Alle. Hier unterteilt die Hochbahn
für die U-Bahn-Linie U2 nach Pankow die Strasse.
Mit der S-Bahn Ringbahn minutenschnell zu erreichen ist Velodrom (S-Bahnhof Landsberger Allee), Radrennsporthalle und Konzerthalle.
Hier trat Udo Lindenberg auf, der an Honecker seinen Song gerichtet hat: "Sonderzug nach Pankow".
Neben dem Velodrom ist im Europapark die große Schwimmhalle, 2002 Austragsort der Europameisterschaft der Schwimmer. Sie wurde wie die Max-Schmeling-Halle im Rahmen der Olympiabewerbung Berlins für 2000 gebaut.
Der PrenzlBerg in Berlin hat für Olympia viel zu bieten. Sportstätten, Vielfalt und Gastfreundschaft.
Der Prenzlauer Berg wird oft bei Diskussionen um Gentrifizierung genannt, so der Fachbegriff für die Verdrängung von lang ansässigen Bewohnern durch einkommensstärkere Bevölkerungsgruppen.
Das trifft weitgehend zu für einzelne Kieze, Beispiel um den Kollwitzplatz, derzeit nicht für den Prenzlauer Berg insgesamt trotz gestiegener Mieten.
Das ist eine der Chancen der wachsenden Metropole BERLIN: Fehler anderer europäischer Großstädte nicht zu wiederholen, die zur weitgehenden sozialökonomischen Trennung ganzer Bevölkerungsgruppen in der Stadt geführt haben mit nachhaltigen negativen Folgewirkungen, teilweise auch in Berlin.
Die soziale Durchmischung der Bevölkerung im Prenzlauer Berg wird durch zweierlei unterstützt:
Die Einwohnerzahl in Berlin nimmt seit 2003 kontinuierlich zu, durch Zuzug, nicht durch eine höhere Geburtenrate.
Die Neu-Berliner siedeln sich bevorzugt in der Mitte der Metropole Berlin an, in Pankow südlicher Teil, in Friedrichshain-Kreuzberg und im Ostberliner Stadtteil Mitte. Das führt zu Verdrängungswettbewerb und Fluktuation, was sonst.
Das Amt für Statistik Berlin und Brandenburg hat 2014 für den Zeitraum 1991 bis 2013 genaue Zahlen vorgelegt. Die nicht in Berlin Geborenen wohnen konzentriert innerhalb des S-Bahn-Rings.
Diese Trends muss man mitbedenken, wenn man über den - in der Tat starken - Wandel in der Bevölkerungsstruktur des Prenzlauer Berg nachdenkt oder spricht. Im südlichen Teil von Pankow, das ist der südliche Teil des Prenzlauer Berg mit seinen Szene-Kiezen, sind die in Berlin Geborenen in der Minderheit:
Kollwitzplatz 69% Zugezogene, Teutoburger Platz 71,2%, östlich Kiez Winsstrasse 68,3 %,
nördlich vom Kollwitzplatz liegt der dicht besiedelte Helmholtzkiez mit 69,5% Zugezogenen (in absoluten Zahlen 15.394 Menschen),
der angrenzende Falkplatz 71,2%.
Im Kiez Thälmannpark (direkt neben dem Helmholtzkiez) überwiegen die gebürtigen Berliner mit 52,4%, in absoluten Zahlen "nur" 1.422 Einwohner. Das hat einen einfachen Grund: Es gibt einen Wohnblock, zentral und verkehrsgünstig gelegen, Plattenhochhaus mit schönem Ausblick, umgeben vom Grün des Thälmannparks, in der DDR gebaut und in der DDR von Mietern bezogen.
Mit festen Mietverhältnissen, unzugänglich für Immobilien-Eigentümerwechsel.
Im Kiez Greifswalder Strasse, das liegt direkt nördlich ab S-Bahn-Ring, haben ebenfalls mit 52,8% die gebürtigen Berliner die Mehrheit.
Den Wandel muss man gestalten. Zuerst muss man sich jedoch bewusst machen, Berlin wächst, Pankow wächst, der Prenzlauer Berg wächst. Die Neu-Berliner, die Zugezogenen, verdrängen die oft seit Jahrzehnten oder lebenslang Ansässigen.
Pankow ist zugleich ein Kinderreicher Bezirk, junge Familien mit kleinen Kindern ziehen sehr gern in den südlichen Teil des Prenzlauer Bergs, wenn sie eine bezahlbare Wohnung finden.
Das ist gut so, wenn der Süden des Prenzlberg generationenübergreifend, d.h. altersmäßig und sozial gemischt bleibt.
Texte und Fotos: Helga
Karl
KNB
KNBerlin Kieznetzwerk
Berlin
© Helga Karl. Alle Rechte vorbehalten https://www.knberlin.de/berlin-prenzlauer-berg/